Über den kulturellen, geistigen sowie wirtschaftlichen Einfluss
der Prager Juden vom Mittelalter bis zur Gegenwart.
LESEPROBE
Die Spanische Synagoge
Dusní / Vezenska ulice
Bis auf den Namen einer der Gäßchen ('Bei der alten Schule') erinnert an dieser Stelle nichts an die älteste Prager Niederlassung von Juden östlichen, byzantinischen Ursprungs.
Wir wissen nicht, wann sie nach Prag gekommen sind, man setzt jedoch voraus, daß es im 11.-12. Jahrhundert gewesen sein muß. Hier, bei ihrer 'Alten Schul' gründeten sie ihre Niederlassung, ihr Ghetto, das nie mit dem Ghetto rings um die Altneusynagoge zusammenhing und sich nie mit ihm verband. Es ist schwer zu glauben, daß sich die Juden eben hier so lange halten konnten, denn die Hl.-Geist-Kirche, ein gotisches einschiffiges Bauwerk aus dem zweiten Viertel des 14. Jahrhunderts, war ja ein Teil des größeren Komplexes eines Benediktinerinnenklosters, das bis zum Jahr 1420 an der Westseite der Kirche lag.
Die jüdischen Häuschen bei der Hl.-Geist-Kirche duckten sich wortwörtlich rings um die angeblich älteste Prager Synagoge, die sog. 'Alte Schul'. Aus der späteren Geschichte weiß man, wie hartnäckig die Juden hier an diesem Stückchen Erde festhielten, daß sie es um keinen Preis verlassen und zu ihren Brüdern ins Ghetto übersiedeln wollten. Sie hielten an ihren überlieferten Traditionen fest, an ihrem besonderen byzantinischen Religionsritus. (Diese Besonderheiten sind sehr lange erhalten geblieben und wurden zu guter Letzt in einer 'Selichoth' genannten Sammlung Prager jüdischer Gebete in Buchform festgehalten.) Aus jener Zeit stammen auch Nachrichten darüber, daß die Juden bei der 'Alten Schul' es ablehnten, in eine für sie vorteilhaftere Lage um die Zigeunerstraße zu übersiedeln. Bis ins 17. und zum Anfang des 18. Jahrhunderts lebte die kleine Niederlassung ihr abgeschlossenes, charakteristischen Leben. Die Straße U stare skoly (Bei der Alten Schul) war 'ein eigenartiges Zickzackgewirr, das interessanter war, als jede andere Straße in der Judenstadt', konstatiert Professor Frantisek Ruth in seiner Chronik des Königlichen Prag. Die Häuschengruppe wurde auch 'portugalsky ostrov' (Portugal Insel) genannt, vielleicht zur Erinnerung daran, daß sich hier angeblich für eine kürzere Zeit auch Juden aus Portugal niedergelassen hatten. In der Siedlung war später auch noch eine weitere kleinere Synagoge, die Fischel-Hönigsbergsche Betstube.
Es existierte hier eine Stiftung des reichen jüdischen Adeligen Simon Lämmel, und im ehemaligen Haus Nr. 187 das Armenhaus der Babette Lämmel, in dem 25 arme Juden volle Fürsorge fanden. Die Chronik des Königlichen Prag besagt, daß bis zum Jahr 1785 'die Juden dem Glöckner der Hl.-Geist-Kirche das Läuten gegen die Wolken' bezahlen mußten und daß sie auch Beiträge zum Ankauf von Glocken, die durch Feuer vernichtet worden waren, leisteten.' Zum erstenmal wird die Existenz der 'Alten Sehul' im Jahr 1142 erwähnt, in welchem ein ursprüngliches jüdisches Gotteshaus auf der Kleinseite einem Brand zum Opfer fiel. Es ist anzunehmen, daß aus dem Umkreis dieser Synagoge, die sich 'Alte' (zum Unterschied vom neuen Bau der heutigen Altneusynagoge) nannte, jüdische Gelehrte stammten: Rabbiner, die der tschechischen und altslawischen Sprache mächtig waren, wovon zahlreiche handschriftliche Eintragungen in hebräischen religiösen Büchern zeugen.
Eine Quelle der Erkenntnis des Lebens der damaligen Prager jüdischen Gemeinde ist ein Werk, das bereits im einleitenden Kapitel des Reiseführers 'Das Jüdische Prag', von Ctibor Rybár, erwähnt wird. Isaak ben Mosche schrieb in der Regierungszeit Premysl Otakars II. das Werk 'Or saru'a' das sich insbesondere mit dem Leben der in der Niederlassung bei der 'Alten Sehul' wohnenden Juden befaßt.
Über die Alte Schul selbst wissen wir nicht viel. Im Verlauf von antijüdischen Unruhen wurde sie mehrmals niedergerissen (in den Jahren 1389, 1516, 1604, 1622), aber immer wieder neu umgebaut und erneuert. Im Jahr 1693 wurde sie auf kaiserlichen Befehl geschlossen, aber kurz nachher, im Jahr 1703, wieder eröffnet. Im Jahr 1744, im Jahr der Aussiedlung der Juden aus Prag, verödete die Synagoge, sie brannte auch aus, wurde jedoch später wiederum renoviert.
Über das Aussehen der Synagoge, in der 1837 der moderne reformierte G'ttesdienst eingeführt worden war, liefert das Langweilsche Modell der Prager Stadt ein getreues Abbild. Es war kein besonders komplizierter Bau. Es mag jedoch von Interesse sein, daß hier, zum erstenmal in einem jüdischen Gotteshaus, eine Orgel eingebaut wurde, und daß hier als erster Organist der tschechische Komponist Frantisek Skroup, der Autor des Lieds 'Wo ist mein Heim?', der späteren tschechischen Nationalhymne, tätig war.
Frantisek Skroup, der in der Synagoge in den Jahren 1836—1845 wirkte, schrieb in dieser Zeit auch einige synagogale Kompositionen auf lithurgische Texte. Die Tatsache, daß Frantisek Skroup in einem jüdischen G'tteshaus tätig war, bestätigt nicht nur die positiven Beziehungen eines nichtjüdischen tschechischen Patrioten zu den jüdischen Mitbürgern, sondern signalisiert auch neue Assimilierungstendenzen in den tschechisch-jüdischen Beziehungen.
Im Jahr 1868 wurde der Bau einer neuen Synagoge in Angriff genommen. Mit der Ausarbeitung der Pläne wurde der in seiner Zeit bedeutendste tschechische Architekt Vojtech Ignác Ullmann (1822—1897) betraut, der auch der Autor solcher Projekte war, wie es die des Gebäudes der Tschechischen Sparkasse in der Národní trída (heute die Tsehechoslowakische Akademie der Wissenschaften), der Tschechischen technischen Hochschule auf dem Karlsplatz oder der Höheren Töchterschule in der Vodickova ulice (alle diese Bauwerke befinden sich Prag) gewesen sind. Die Ausstattung des Innenraums wurde in die Hände des nicht weniger bekannten tschechischen Architekten des Zeitabschnitts des Historismus Josef Niklas (1817-1877) gelegt. Den prunkvollen und ungewöhnlichen Schmuck des Interieurs entwarfen in den Jahren 1882-1893 die Architekten A.Baum und B.Münzberger. Das Resultat war ein Gebäude auf einem quadratischen Grundriß, ein klassisches Neu-Renaissancebauwerk mit einer mächtigen Kuppel.
Das Interieur war reich mit vergoldeten und ornamental aufgefaßten Stukkaturen geschmückt, die die spanischen lnterieure der Alhambra imitierten, wovon auch der Name Spanische Synagoge abgeleitet ist. Ahnliche Verzierungselemente wurden auch in weiteren Details, bei den Türen, der Wandverkleidung usw. in Anwendung gebracht. Die Fenster hatten farbige Vitragen.
Das lnterieur der Synagoge machte dieses jüdische G'tteshaus zum in seiner Zeit wohl originellster Raum auf dem Gebiet der Sakralbauten.
Die Spanische Synagoge diente ihrem Zweck bis in die Zeit des zweiten Weltkriegs. Im Jahr 1955 wurde sie dem Jüdischen Museum übergeben und nach unumgänglichen Umgestaltungen wurde hier im Jahr 1960 eine auch im Weltmaßstab einzigartige Ausstellung von synagogalen Textilien eröffnet, eine Kollektion von gewebten und bestickten Textilien von der Renaissance bis ins zwanzigste Jahrhundert. Den Grundstock der Sammlung bilden Synagogenvorhänge, Draperien und Thora-Mäntelchen.
Wegen notwendiger technischer Bauarbeiten war die Synagoge nun jahrelang geschlossen. In diesen Jahren erfolgte eine Generalrekonstruktionund inzwischen dient dieses Gebäude dem Jüdischen Museum als eindrucksvoller Ausstellungssaal.
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