LESEPROBE  AUS ISHA -  BAT MIZWA

 

Die Worte Bat Mizwa bedeuten: "Tochter des Gebotes". Diese Zeremonie für die religiöse Volljährigkeit der Mädchen wurde zuerst 1841 vom französischen Konsistorium eingeführt. Bis dahin wurde ausschließlich die religiöse Volljährigkeit der Jungen gefeiert. Der Ursprung dieser Feier für die Jungen findet sich in der Mischna (Avot 5:24): "Mit dreizehn Jahren ist man verpflichtet, die Gebote zu erfüllen". Eine Quelle des Midrasch (Gen. R. 63:14 über Gen. 25:27)erklärt ebenfalls, dass bis zum Alter von dreizehn Jahren der Vater für das Verhalten seines Sohnes verantwortlich ist; nach dem dreizehnten Geburtstag sagt er einen Segensspruch: " Gesegnet seist Du, König der Welt, der die Verantwortung, die nun bei ihm liegt, von mir genommen hat" Die Bar Mizva hatte vor allem rechtliche Bedeutung. Von nun ab konnte der Junge im Minjan* gezählt werden, Tefillin* legen, einen Aufruf zur Tora* bekommen und ganz allgemein selbst die Verantwortung für die Erfüllung aller Gebote* übernehmen Das feierliche Begehen dieses Ereignisses scheint erst im 16. Jahrhundert aufgekommen zu sein. Da die Frauen von den zeitgebundenen Geboten* ausgenommen waren, kam ihrer religiösen Verantwortung [in der Gemeinde] nicht die gleiche Bedeutung zu und so gab es auch bis ins 19. Jahrhundert keinerlei Feier anlässlich ihrer religiösen Volljährigkeit. Die religiöse Volljährigkeit war mit dem Eintritt in die Pubertät verknüpft (MT, Hil.Isch. 2:9:10), und wurde auf zwölf Jahre und einen Tag für Mädchen, beziehungsweise dreizehn Jahre und einen Tag für Jungen festgelegt (AH 225:4). Es möchte scheinen, dass nach der Halacha der Vater die Verpflichtung hat seine Söhne und seinen Töchter in den Geboten zu unterweisen. Zum Beispiel erklärt die Mischna (Joma 8:4) dass die Eltern ihre Kinder nicht zum Fasten zwingen, sondern sie Schritt für Schritt daran gewöhnen sollen. Die Tossafisten (Joma82a) kommentieren, dass hier die Rede von Jungen und Mädchen ist, wobei sie auch das jeweilige Alter für die Volljährigkeit nennen. Als Gegenbeispiel könnte das Nasiratsgelübde (Nas. 28b) gelten, das vom Vater für seine Söhne abgegeben werden konnte. Resch Lakisch sagt, dass der Vater die Pflicht habe, seinen Sohn, nicht jedoch seine Tochter, zu unterrichten. Doch die Tossafisten ( Joma 82, Jeschenim.) präzisieren, dass dies ausschließlich auf die Nasiratsgelübde zutrifft; und dass der Vater dazu verpflichtet ist, seine Tochter alle anderen Gebote zu lehren. Man könnte also die Frage stellen, wieso der Vater, wenn er doch verpflichtet ist seine Tochter zur Einhaltung der Gebote anzuleiten, nicht auch für sie den Segensspruch am Ende seiner Erziehungsverantwortung sagt? Manche geben folgende Erklärung: "Wenn er sie verheiratet hat, als sie noch minderjährig war, gehört sie ihrem Mann an und wird nicht für die Fehler ihres Vaters bestraft. Selbst wenn wir fordern, dass der Vater seine minderjährige Tochter unterweist, so sind doch die Gebote, die sie betreffen, viel weniger zahlreich" (Pri M’Gadim zu Eschel Avraham, Och 225: 5 am Schluss). Dieser Kommentar erinnert daran, dass das Mädchen mit seiner Hochzeit von der rechtlichen Gewalt des Vaters in die rechtliche Gewalt des Ehemannes übergeht. Unterdessen fragen sich Andere: "Die Frauen müssen dreihundertfünfundsechzig Verbote und zahlreiche Gebote beachten, dazu vielerlei rabbinische Vorschriften — ist das nicht genug um den Vater zur Unterweisung seiner Tochter anzuhalten? Also bleibt die Frage bestehen, wieso er nicht den Segensspruch auch für seine Tochter sagt?" (HaMaajan, vol.13,n°2,S.41, R. Chanoch Grosberg). Diesem Argument wird das der Heirat entgegengehalten: "Vielleicht, weil der Vater bis zu ihrer Heirat für ihren Unterhalt verantwortlich ist, daher bleibt sie bis zu diesem Zeitpunkt unter der Aufsicht ihres Vaters. So ist er solange nicht von seiner Verpflichtung befreit, bis sie heiratet und in die Gewalt ihres Mannes übergeht." (Kaf hachajim, OCh 225:15) Hier stehen zwei unterschiedliche Ansichten gegeneinander: Die eine, die vom rechtlichen Standpunkt ausgehend der volljährig gewordenen Tochter die Verantwortung zuspricht; und die von der sozialen Realität ausgehende Haltung, nach der die väterliche Zuständigkeit weiter aufrecht erhalten bleibt.

1846 beschloss die Reformbewegung in Deutschland das Alter der religiösen Volljährigkeit auch für Mädchen auf dreizehn Jahre festzusetzen. Die vom Konsistorium organisierten Feiern waren Gruppenzeremonien. Wir wissen nichts über die verwendete Liturgie, außer dass es "Gebete vor und nach der religiösen Einführung" gab; doch eine rituelle Beteiligung der Mädchen am Gottesdienst ist höchst unwahrscheinlich. Gegenwärtig ist es von Synagoge zu Synagoge und auch innerhalb der verschiedenen Bewegungen des Judentums ganz unterschiedlich, in welcher Art die Mädchen an der Gestaltung des Gottesdienstes teilhaben. Die Bandbreite reicht von einer an einem Sonntag außerhalb der Synagogenräume abgehaltenen Gruppenzeremonie, wie in manchen orthodoxen Gemeinden üblich, bis zur individuellen Zeremonie mit verantwortlicher Teilnahme an der Gottesdienstgestaltung und Aufruf zur Tora, ganz entsprechend der Bar Mizwa bei den Jungen, wie es heute in den meisten konservativen und liberalen Synagogen üblich ist. In einigen modern-orthodoxen Gruppen in den USA und in Israel wird die Bat Mizwa im Rahmen einer Frauengebetsgruppe begangen. Mehr und mehr wird von allen religiösen Bewegungen auch bei den Mädchen das Erreichen der religiösen Selbstverantwortung in irgend einer Form begangen, unabhängig davon, wie unterschiedlich diese dann im Alltag umgesetzt wird.

 

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