LESEPROBE  AUS ISHA -  EHEBRUCH

 

Das Verbot des Ehebruchs ist Teil der zehn Gebote wie sie im Buch Exodus (20:13) und Deuteronomium (5:17) festgehalten sind. Es gilt für Männer und Frauen gleichermaßen und nach biblischen Recht galt für beide das Todesurteil. Diese Strafe ist nach Levitikus (20:10) und Deuteronomium (22:22) festgesetzt. Gleichwohl wird in biblischer Zeit der Ehebruch als das Verhältnis eines Mannes (ob verheiratet oder unverheiratet) mit einer verheirateten oder verlobten Frau definiert. Die Asymmetrie ist augenfällig: der Mann kann außereheliche Verhältnisse mit anderen Frauen eingehen, solange diese nicht einem anderen Mann angehören. Der Familienstatus der Frau bestimmt den Tatbestand des Ehebruchs, der eher als eine Eigentumsverletzung als ein moralisches Vergehen angesehen wird. Der Ehemann hatte das ausschließliche Recht auf die Sexualität seiner Frau. Die Abschaffung der Wasserprobe mit den bitteren Wassern für die des Ehebruchs verdächtige Frau bedeutete da einen klaren Fortschritt: "Da die Zahl der außerehelichen Kinder zunahm hörte die Anwendung der Eifersuchtswasser auf und R. Jochanan Ben Zakkai schaffte sie ab." (Ket. 3:4). Zu talmudischer Zeit wurde die Todesstrafe durch die Peitsche ersetzt. Aber die Rabbiner erschwerten den Prozess noch weiter, indem sie zwei Tatzeugen, eine Abmahnung in angemessener Form, sowie die Bestätigung dieser Abmahnung verlangten; - all dies um unbegründete Anklagen zu vermeiden. In biblischer Zeit war schließlich die ehebrecherische Frau sowohl für ihren Mann als auch für ihren Liebhaber tabu.(Lev.24:4) Im biblischen Text gibt es jedoch auch Vorbilder für mögliche Vergebung; so zum Beispiel beim Propheten Hosea(?), der die Rückkehr Israels,in einer Metapher als ehebrecherische Frau dargestellt, vorhersieht. Wenn die Rabbinen schon die Feststellung des Ehebruchs erschwerten, um die Ehe zu retten, sollte im Einklang mit dem wichtigen jüdischen Prinzip der Teschuwa (Umkehr, Reue) bei festgestelltem Ehebruch auch die Möglichkeit der Vergebung und des Straferlasses vorgesehen sein. Auch wenn sich über die Jahrhunderte das Eherecht und die Betrachtung des Ehebruchs in Richtung auf eine Gleichstellung von Mann und Frau entwickelt haben, bleiben doch Unterschiede. Sicher ist die Polygamie* untersagt, doch wenn eine Frau Kinder hat, die nicht von ihrem Ehemann stammen, gelten diese immer noch als Mamserim (Illegitim) und stehen außerhalb der Gesellschaft; während die Kinder, die der Verbindung eines verheirateten Mannes mit einer unverheirateten Frau entstammen nicht als illegitim gelten. Für Frauen die zwar zivilrechtlich geschieden sind, aber von ihrem Mann keinen Scheidungsbrief bekommen haben, ist diese Situation besonders misslich. Eine neue Beziehung gilt dann als ehebrecherisch und die Kinder aus dieser Verbindung gelten nach orthodoxem Recht als illegitim. In Anlehnung an Deuteronomium (24:16)."nicht sollen getötet werden Väter um Kinder, und Kinder sollen nicht getötet werden um Väter; Jeglicher für seine Schuld sollen sie getötet werden" hat des liberale Judentum das Gesetz über die illegitimen Kinder abgeschafft.

Zu der Bestrafung der unehelichen Kinder schreibt Elaine Adler Goodfriend:

Die Schwere dieses Verbrechens ist in den gesetzlichen Teilen des Pentateuch an keiner Stelle begründet. Doch da in der israelitischen Gesellschaft die väterliche Abstammung zählte, wurde sicherlich eine irrtümlich angenommene Vaterschaft sehr schlecht angesehen, weil das Familienerbe dann an einen illegitimen Erben weitergegeben würde. Tatsächlich könnte in einem solchen Fall der Ehemann in seinem Unwissen sein ganzes Vermögen an das Produkt der Untreue seiner Frau vermachen. So verursacht der Ehebruch gleichzeitig eine Auflösung sozialer, ökonomischer und religiöser Werte.

Die verführerische Frau wird häufig als verantwortlich für den Ehebruch gesehen, als diejenige, die den Mann vom rechten Wege abbringt:

"Dich zu wahren vor der bösen Frau, vor der glatten Zunge der Ausländerin. Lass dich nicht gelüsten ihre Schönheit in deinem Herzen, und dass sie dich nicht einnehme mit ihren Blicken. Denn durch eine buhlerische Frau (kommt man herab) bis auf einen Laib Brot, und die fremde Ehefrau stellt der edlen Seele nach. Schüttet Jemand in seinen Schoß Feuer, dass seine Kleider nicht brennen? Oder geht jemand auf Kohlen, dass er sich die Füße nicht verbrennt? So wer zu der Frau des Nächsten kommt: nicht ungestraft bleibt, wer sie berührt. Man sollte den Dieb verspotten, wenn er stiehlt, um seine Gier zu stillen, da ihn hungert. Und wird er betroffen, so bezahlt er das siebenfache, er gibt auch alles Gut seines Hauses. (Doch9 wer die Ehe bricht mit einer Frau, ist sinnlos, wer sein eigener Verderber ist, tut das; Plage und Schande findet er, und seine Schmach wird nicht ausgelöscht. Denn Eifersucht, das ist die Wut des Mannes, der schont nicht am Tage der Rache. Er sieht kein Lösegeld an, und willigt nicht ein, so viel du Geschenke bietest. (Sprüche 6:24-35)

Wie Potiphars Frau* oder die Frauen von Samson* ist diese Frau ein Muster der fremden, verheirateten Frau, die dem unbescholtenen Mann Fallstricke auslegt, derer er sich nicht entziehen kann, weil er ihren Reizen verfällt. Sie benutzt Worte (s. Sprüche 2:16) und ihre Schönheit um ihn zu umgarnen. Sie suggeriert Vergnügen und Gefahr, Leidenschaft und Tod. Sie ist die "femme fatale", die den Mann, den sie als unschuldiges Opfer in den Klauen hält, ins Unglück stürzt. Sie ist sich keiner Schuld bewusst. Die Prostituierte steht über der Ehebrecherin (Sprüche 6:26), weil im Falle der Prostitution nicht das Eigentum eines anderen Mannes verletzt wird. Nach der uns in den Sprüchen begegnenden Anschauung ( z.B. 1:20-33) steht der Ehebrecherin der Frau gegenüber die der Inbegriff der Weisheit ist . Die hier vom Mann beschriebene Frau ist eine Karikatur, gut oder böse, eines der beiden Extreme. Ob nun Engel oder Teufel, die Frau ist auf jeden Fall das "Andere", fremdartig und fremd, Ehre oder Untergang herbeiführend.

In der Bildwelt der Propheten steht die Ehebrecherin auch für das Volk Israel, das fremden Göttern anhängt und Gott untreu wird. "Die Sexualität, die vor Allem als Metapher von Ehebruch und ehelicher Treue verwandt wird, um Israels Verhältnis zu Gott und der seiner nationalen Identität zu beschreiben, ist bestimmend für Israels Selbstbild." Und doch werden viele biblischen Helden als Menschen dargestellt, die gegen die Gebote über die Sexualität verstoßen. Sara* hätte Ehebruch mit dem Pharao begehen können — und das sogar mit dem Einverständnis ihres Mannes. "Wenn ihre Redakteure oder Herausgeber sich sicher dieser auffälligen Gegensätze zwischen den Geboten und den Berichten bewusst waren, mussten sie ebenso begreifen, dass dieses Auseinanderklaffen eine wichtige kulturelle Funktion inne hatte, und in der Schaffung der israelitischen Nation ein Aussetzen [Übs.:von Strafe] sehen, das man als Zeichen der göttlichen Gnade gegenüber einem ethnisch zusammengewürfelten Volk von Hungerleidern verstehen konnte." Davids Aufstieg ist eng mit seinen sexuellen Übertretungen verknüpft. Er verliebt sich in Abigail* (I Sam. 25), die Frau von Nabal, auch wenn er sie erst heiratet als sie verwitwet ist, und in Batscheva* (II Sam. 11), die Frau von Uri, mit der er Ehebruch begeht. Der Erzähler verdammt zwar sein Tun, doch aus dieser Verbindung, die auf einem Ehebruch und einem Mord basiert, entstammt König Salomon. Vielleicht zeigt der Gegensatz zwischen den Geboten und den geschichtlichen Berichten einfach auf, dass auch die biblischen Helden Menschen sind, die Fehler machen. Es scheint, dass dieser Widerspruch durch die ganze jüdische Geschichte besteht, da Ehebruch in der Literatur häufig thematisiert wird. Für die Rabbiner ist jeder dieser Fälle Anlass, an die Heiligkeit der Ehe und das Treueideal zu erinnern.

 

1. Esther

2. Abtreibung

3. Bat Mitzwa

4. Ehebruch

 

 

Pauline Bebe:
ISHA - Frau und Judentum
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